Letzte Instanz on Tour – Schuldig und doch heilig
Gothic Rock war noch nie so schön
30.10.2010 [db] Was wäre ein Leben ohne die Letzte Instanz? Was wäre der Alltag ohne ihre Lieder? Was wäre ein Samstagabend im Oktober ohne ein Konzert dieses bunten Haufens? Was wäre überhaupt ein Jahr ohne musikalisch etwas von dieser Band zu hören? Die Letzte Instanz ist auf Heiliger Tour durch Deutschland. Nach dem letztjährigen Album „Schuldig“ und der Veröffentlichung des neuen Tonträgers „Heilig“ nimmt die Album-Trilogie der Instanzler ihren Lauf und hält die Fans in Atem. War ich im Vorfeld vom neuen Album noch nicht überzeugt, so haben mich die Brachialromantiker mit ihrem Auftritt in Erfurt schlichtweg aus den Stiefeln gerockt. Vor dem Club Centrum hatte sich ja schon vor Einlassbeginn eine beachtliche Schlange gebildet. Dass es schlussendlich so voll werden würde, konnte man zu diesem Zeitpunkt noch nicht ahnen. Doch schon zum Auftritt des Support Acts „Mina Harker“ wurde es eng im Club. Die Dame gab den Ton an – und was für einen! Düsterer Rock mit einprägsamer Stimme. Eine Lady mit gewaltiger Bühnenpräsenz. Eine Band, die gleich zu Beginn des Abends Eindruck hinterließ.
Es gibt Bands, die rennen dich mit ihrer Euphorie über den Haufen. Die spielen dich aus den Socken und du möchtest, dass ihr Konzert niemals endet. Es gibt Bands, die lassen sich bei jedem Auftritt in wunderschönes Licht tauchen. Da stimmt der Ton. Da herrscht die richtige Stimmung. Da steht man immer kurz vorm Siedepunkt. Da springt der Funke über. Es gibt einige Bands solchen Formats. Aber die Band, die mich live immer wieder am meisten beeindruckt, das ist die Letzte Instanz. Einen Großteil ihres Erfolges macht ihre Fannähe aus und die Energie, mit der die Band Liveauftritte absolviert. Da erscheint nichts als Pflichtprogramm. Der schier unendliche Kreis von Kreativität, Spielfreude, Energie, Willen und Freundschaft, macht aus der Letzten Instanz mehr als nur eine weitere Band. Sie versprechen großartige Unterhaltung, Songs verpackt in eine lebendige Performance und eingehüllt in eine wunderschöne Lichtshow. Sie halten Ihre Versprechen. Immer wieder.
Das neue Studioalbum hatte mich nicht so recht überzeugt. „Schuldig“ aus dem Vorjahr wies mit „Flucht ins Glück“, „Der Garten“ oder „Komm!“ starke Stücke auf. Die funktionierten auch aus der Konserve. Aber damals hatte ich die Band auch erst live gesehen mit ihrem neuen Material und dann das Studioalbum gehört. Das war dieses Mal vielleicht mein Fehler. Die CD hatte ich recht schnell in die Ecke gelegt und mich innerlich schon ein bisschen geärgert. Ich hatte das Gefühl, die Letzte Instanz hätte es sich erlaubt, nachzulassen. Und das konnte doch nicht sein! Ist es auch nicht. Schon beim Opener „Dein Gott“ erkannte ich meinen Irrtum. Der Song entfaltet erst live seine volle Wucht. Wenn man diese Truppe auf der Bühne förmlich explodieren sieht, wenn sie ihren Stücken Leben einhauchen, dann überträgt sich dieses Gefühl auf die Tage und Monate danach, in denen man sie nicht live, sondern „nur“ auf CD hören kann. Dann hat man dieses Erlebnis aber abgespeichert, dann weiß man, wie es war und wie es ist. Dann klingt „Heilig“ göttlich.
Ich ertappte mich bisweilen, dass ich mehr beobachtete als lauschte – dass ich den Gesten mehr Beachtung schenkte als den Melodien. Ich sah, wie sich Muttis Stolz und Benni Cellini einander zuspielten und Grimassen schnitten, während Holly Loose versuchte, sich seines Oberteils zu entledigen. Wie durch Watte drangen die Melodien und Worte an mein Ohr. Kamen näher und waren schlussendlich wieder da. In ihrer ganzen Pracht, ihrem vollen Klang. Ein rundum schönes Konzerterlebnis verschafften die Brachialromantiker ihren Fans an diesem Abend in Erfurt. Aber eines muss mir Holly Loose bei Gelegenheit nochmal erklären: Wie kann ein Heiliger so sündig seine Hüften bewegen? Da stimmt doch was nicht.